Smart Headlight

Integrierte Multisensor-Scheinwerfer für robuste Fahrerassistenzsysteme

Mit dem Leuchtturmprojekt Smart Headlight erprobt das Fraunhofer ILT gemeinsam mit vier weiteren Fraunhofer Instituten die Integration von Advanced Driver Assistance-Sensoren (ADA) für das autonome und teilautonome Fahren in den Frontscheinwerfern. Die Forschenden fusionieren dafür Radar und Lidar auf Datenebene und koppeln sie zusammen mit der Beleuchtungskomponente durch ein optisches System aus.

Der Scheinwerfer für autonomes Fahren

Autoscheinwerfer
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Kameras und Lidar lassen sich hervorragend im Scheinwerfer unterbringen und sind vor Umwelteinflüssen geschützt.

Mit zunehmendem Automatisierungsgrad der Mobilität steigen die Anforderungen an die eingesetzten Sensoren und ihre Anzahl im Fahrzeug. Dies steht teilweise im Widerspruch zum Fahrzeugdesign. Diese Konkurrenzsituation wird sich mit zunehmender Elektrifizierung und Automatisierung weiter verstärken. Durch die Elektrifizierung wird die Frontabdeckung als neue, prägnante Fläche zur Verfügung stehen und die traditionelle Sensorplatzierung hinter dem Kühlergrill auf den Prüfstand gestellt.

Teilautonomes und autonomes Fahren benötigt mehr und unterschiedliche Sensoren wie Lidar, Radar, Ultraschall und Kameras, um eine bestmögliche Leistung unabhängig von Störeinflüssen zu gewährleisten – die Umgebung muss dafür möglichst schnell und sicher erfasst werden. Des Weiteren müssen die Sensorfelder kongruent sein, um Datenfusion zu ermöglichen.

Hier kommen die Frontscheinwerfer ins Spiel: Sie nehmen bei der Integration der Sensoren eine strategische Rolle ein. Kameras und Lidar, die im optisch sichtbaren oder nahen Infrarotbereich (NIR) arbeiten, lassen sich hervorragend im Scheinwerfer unterbringen und sind vor Umwelteinflüssen geschützt.

Das Smart Headlight-Projekt, das Forschende unterschiedlicher Disziplinen zusammenführt, adressiert zentrale Fragen zur Machbarkeit einer koaxialen Integration von Radar und Lidar. Dabei berücksichtigt es die Beleuchtungsfunktion, den Messbereich, die Störsicherheit, das Sichtfeld, die Temperaturentwicklung sowie die Verschmutzung.

Koaxiale Sensorintegration

© Fraunhofer ILT
Schematische Darstellung des intelligenten Scheinwerfers für koaxiale Emission von Radar, Lidar und Beleuchtung. Die einzelnen Strahlungskomponenten werden durch den Schutzschirm gelenkt. Der intelligente Scheinwerfer ist als Querschnitt dargestellt

Die Wellenlängen der drei Systeme umspannen insgesamt vier Größenordnungen. Die Forschenden überlagern sie über ein optisches System koaxial und koppeln sie gemeinsam in Fahrtrichtung aus; sie kombinieren die verschiedenen Lichtspektren mit Hilfe von Bi- und Multispektralcombinern.

Beide Optiken benötigen Dünnschichtsysteme, die das Fraunhofer FEP entwickelt und aufträgt. Die Beschichtung des Bispektralcombiners ist so optimiert, dass sie für die Lidar-Wellenlänge von 905 nm hochreflektierend ist und gleichzeitig im sichtbaren Spektralbereich von 400 nm bis 650 nm hochtransparent ist, ohne den Farbort zu verschieben. Der Multispektralcombiner koppelt zusätzlich die Radarstrahlung gleichachsig ein.

Sowohl Lidar als auch Licht erfordern eine Beschichtung mit antireflektierenden (AR) Eigenschaften. Um die Radarreflexion zu ermöglichen, verwenden die Forschenden für die hochbrechende Komponente des AR-Dünnschichtsystems ein transparentes leitfähiges Oxid - in diesem Fall Indiumzinnoxid (ITO).

Radar

Die Forschenden haben nicht nur das Dünnschichtsystem optimiert: Um sicherzustellen, dass Radar, Lidar und Beleuchtung optimal zusammenarbeiten, hat das Fraunhofer-ILT Team das AR-Mehrschichtsystem auf der radarzugewandten Seite des Multispektralcombiners durch Ultrakurzpulslaserstrukturierung teilweise entfernt.

Die resultierenden Strukturen sind deutlich kleiner als die Radarwellenlänge, so dass der Multispektralcombiner als homogener spekularer Reflektor betrachtet werden kann, der sowohl horizontale als auch vertikale Polarisationen unterstützt.

Die Strukturierung reduziert die Reichweite des Radars nur um 15 Prozent, ermöglicht aber eine größere Reichweite des Lidars. Die verwendeten Radar-Sensoren im Frequenzbereich von 76 bis 81 GHz sind Standardkomponenten und seit mehreren Jahren im Automobilbereich etabliert. 

Lidar

Nur 0.5% des früheren Speicherplatzes wird benötigt
Nur 0.5% des früheren Speicherplatzes wird benötigt
10x schneller als heute
10x schneller als heute

Lidarsysteme stehen vor der Herausforderung, dass sie neben den gewünschten Laserphotonen bei Tageslicht auch Photonen von der Sonne registrieren. Die Systeme können den Ursprung der Photonen nicht direkt unterscheiden. Um das Sonnenlicht herauszufiltern, senden und erfassen sie daher mehrere hundert Laserpulse für eine einzelne Distanzmessung.

Das Fraunhofer IMS hat in diesem Zusammenhang einen intelligenten Algorithmus entwickelt, um die große Datenmenge effizient zu reduzieren. Er reduziert den Speicherbedarf um das 200-fache - von 2 MB auf 10 kB. Im Vergleich zu herkömmlichen Lidarsystemen, die Bildwiederholraten von 10 bis 25 Hz haben, erreicht der neu entwickelte Algorithmus eine Bildwiederholrate von bis zu 144 Hz.

Licht

Simulation von dem mikroskopischen ADB (Adaptive Driving Beam)
© Fraunhofer IOF, Jena
Simulation von dem mikroskopischen ADB (Adaptive Driving Beam)

Um den Bauraum des vollintegrierten Smart Headlights weiter zu reduzieren, hat das Fraunhofer IOF herkömmliche Strahlformungselemente wie Freiformspiegel und Asphären durch Tandemmikrolinsenarrays ersetzt. Diese ermöglichen eine hohe Systemtransmission und bieten neue gestalterische Freiheiten, zum Beispiel bei der Wahl der Außenkontur der Leuchten und ihrem optischen Erscheinungsbild im ausgeschalteten Zustand.

Bisher wurden Tandemmikrolinsenarrays mit vergrabenen Metallmasken für die eigentliche Strahlformung hergestellt. Allerdings steigt der Fertigungsaufwand dieses Ansatzes mit der Fläche. Das Ziel der neu entwickelten Mikrooptik ist daher, auf vergrabene Blenden zu verzichten, um die Fertigungskosten zu senken. Der grundlegende Ansatz besteht darin, irregulär berandeter Mikrolenslets anstelle der bisher verwendeten Metallmasken für die Strahlformung zu nutzen.

Ausblick

Mikroskopbild einer unregelmäßig begrenzten Mikrolinse für die Formung des Fernlichts
© Fraunhofer IOF
Mikroskopbild einer unregelmäßig begrenzten Mikrolinse für die Formung des Fernlichts

Die beteiligten Fraunhofer-Institute und das beratende Industriegremium aus führenden Unternehmen wie Hella, ams-Osram und Trumpf haben erfolgreich Vorarbeit geleistet. Das Forschungsteam führt derzeit den Funktionsnachweis des neuen Mikrolinsenoptikansatzes in einem Demonstrator für das Smart Headlight durch. Der Demonstrator wird ein ECE-konformes Abblendlicht und ein 23-fach segmentiertes Fernlicht zur Demonstration des neuen Mikrolinsenoptikansatzes verwenden. Zusätzlich bestimmt das Team die optischen Verluste der Beleuchtung, des Radars und des Lidars. Weitere Tests zur kombinierten, koaxialen Entfernungsmessung und Objekterkennung von Lidar und Radar untersuchen die Störsicherheit und den Erfassungsabstand.