Ein Sprichwort sagt, dass »viele Köche den Brei verderben«. Nun waren hier ja mit acht Partnern sehr viele Köche beteiligt. Was war das Erfolgsrezept?
Neumann: Wir besaßen bereits alle viel Erfahrung in der Zusammenarbeit in großen Forschungsprojekten. Es hat gut gepasst, dass alle Partner die gleiche professionelle Einstellung besitzen und dass alle gleichberechtigt sind.
Dr. Bossy: Wir verstehen die industrielle Verbundforschung eher als ein Orchester, das alle Instrumente und Mitspielenden richtig besetzt und aufeinander abstimmt. Auf ProLMD übertragen heißt das: Die richtige Zusammensetzung des Konsortiums und ein schlüssiger Forschungsplan machen den Erfolg des Projektes aus. Das Fraunhofer ILT als Forschungspartner, verschiedene Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette aus der Automatisierungs-, Laser- und Messtechnik sowie mit Anwendern aus den Bereichen Automotive, Luft- und Raumfahrt gaben dem Konsortium die richtige Mischung für die zukunftsweisende Projektarbeit. KUKA Industries aus Würselen hatte als Projektkoordinator und späterer Systemanbieter dabei wesentlichen Anteil an der zielgerichtet durchgeführten Forschungsarbeit.
Herr Scherr, wie sehen Sie es als Projektbetreuer?
Dipl.-Ing. Stefan Scherr, Projektbevollmächtigter und Themenfeldverantwortlicher »Additive Fertigung - ProMat_3D« beim Projektträger Karlsruhe (PTKA), Produktion, Dienstleistung und Arbeit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen: Die Kooperation war sehr gut. Für das Projekt sprach, dass sich entlang der Wertschöpfungskette sehr erfahrene, innovative Firmen und Forschungsteilnehmer beteiligten.
Worauf sollte man bei dieser Form des technischen Teamworks achten?
Neumann: Die Chemie zwischen den Leuten muss stimmen. Und ich glaube, das hätte sich schnell herauskristallisiert, wenn da einer »nicht mitspielt«. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Aspekt in einem Forschungsvorhaben.
Wenn Sie zurückblicken, was hat Sie am meisten überrascht?
Neumann: Es war eine sehr gute Zusammenarbeit, jeder konnte sich auf die technologischen Projektergebnisse des anderen verlassen. Wir können nun etwas vorweisen, es ist nicht nur Theorie geblieben. Außerdem haben wir am Fraunhofer ILT eine zusätzliche Lösung aufgebaut, die auch für Mittelständler eine interessante Alternative darstellt.
Wie sehen Sie nach diesem Projekt Deutschlands Chance, die Spitzenposition auf dem Gebiet des metallischen 3D-Drucks zu halten oder sogar noch auszubauen?
Prof. Schleifenbaum: Ich glaube, dass wir tatsächlich in Deutschland gut dastehen, aber wir bekommen auch massiv Konkurrenz. Mit Projekten wie ProLMD können wir immer wieder einzelne, sehr gut platzierte und auch für die Konkurrenz sehr schmerzhafte Nadelstiche setzen.
Dr. Bossy: Wir haben eine gute Forschungslandschaft und Projektförderung. Es geht nun darum, dran zu bleiben.
Scherr: Es ist wichtig, unsere Spitzenposition zu halten. Positiv sehe ich zum Beispiel das Auftragsschweißen der schwer zu verarbeitende Werkstoffe wie spezielle Stahlsorten, Nickelbasislegierungen oder Titan. Die Unternehmen erhalten jetzt immer mehr Trittsicherheit und können ihr jeweiliges Produkt- und Produktionsportfolio an die additiven Technologien im breiten Maße heranführen. Und da gab es einen guten Anschub nicht nur mit dem ProLMD-Projekt, sondern auch mit den weiteren zwölf Projekten im Themenfeld ProMat_3D.
Herr Professor Schleifenbaum, spielte der Spirit von Aachen auch eine Rolle beim Gelingen des Projekts?
Prof. Schleifenbaum: Gerne lenke ich den Blick weg vom Fraunhofer ILT in Richtung RWTH Aachen, die dieses Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum unter dem Motto »Lernen. Forschen. Machen« begeht. In diesem doch sehr plakativen Spruch steckt viel drin: Wir sind hier alle vernetzt und haben schon gut verstanden, dass wir nur gemeinsam stark sind und dass diese Vernetzung einer unserer wesentlichen Punkte ist. Und wenn man das dann noch mit einer Macher-Attitüde kombiniert, dann ist das ein gutes Sprungbrett. Springen muss man noch, aber es ist ein gutes Sprungbrett.
Welche Rolle spielt dabei der Campus, schwingt hier der Spirit von Stanford und dem Silicon Valley mit?
Prof. Schleifenbaum: Wir ermöglichen hier Ähnliches, indem wir Räume, Land und Forschungsinfrastruktur bieten und so Unternehmen zu uns locken. Allein auf dem Campus gibt es mittlerweile mehr als 400 immatrikulierte Unternehmen, die mit uns gemeinsam entwickeln, forschen und die Zukunft gestalten. So bilden wir zusammen mit unseren Partnern ein europäisches »Engineering-Valley«.
Was sind für Kuka die nächsten Schritte? Was würde im Idealfall dabei entstehen?
Neumann: Ich hoffe, dass wir aus den Erkenntnissen ein Päckchen für Kunden schnüren können, in dem die Features »ready to use« sind. Das gibt es eigentlich noch selten. Der Unternehmer kann sich zwar vieles zusammenstellen, aber es fällt ihm noch schwer, alles aus einer Hand einzukaufen. In der engen Zusammenarbeit mit Instituten gelingt so etwas. Und das für die Industrie umzusetzen und hier zu nutzen – das muss das Ziel sein!
Die Firmen wünschen sich also Generalausrüster für additive Fertigung?
Neumann: Das trifft zu. Im ProLMD Projekt zeigen wir nun, dass man alle Funktionen mit einer Maschine so kombinieren kann, dass sie problemlos bedienbar sind: Zwar benötigt der Anwender gerade in der additiven Laserfertigung ein Grundwissen zum Umgang mit Materialien und den technischen Anforderungen. Aber es muss alles zusammenpassen. Unser Ziel ist es unter anderem ein Rundum-Sorglos-Paket, eine Standardzelle für den Mittelständler anzubieten.
Herr Dr. Bossy, wie geht es weiter?
Dr. Bossy: Das BMBF will auch Projekte unterstützen, um Methoden der künstlichen Intelligenz in die Produktion einzuführen und dort weiter zu verbreiten. Aktuell analysieren und werten wir gerade die hierzu eingegangenen Skizzen aus. Aufgefordert hatten wir übrigens auch die Community der additiven Fertigung, Vorschläge einzureichen. Ich sehe nämlich künstliche Intelligenz als guten Ansatz, um die Planungs- und Fertigungsprozesse stabiler und beherrschbar zu machen.
Das Interview führte Nikolaus Fecht im Auftrag des Fraunhofer ILT.