Gut Ding braucht Weile: Dieses Sprichwort trifft besonders auf komplexe, technische Prozesse zu. So hat das Fraunhofer ILT seit 2012 das extreme Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen EHLA intensiv erforscht und weiterentwickelt, bei dem der Laser die Pulverpartikel bereits oberhalb des Schmelzbades aufschmilzt. Das schnelle und prozesssichere Verfahren, das mit einer Geschwindigkeit von bis zu 500 Metern pro Minute ressourceneffizient und zugleich wirtschaftlich 25 bis 250 Mikrometer dünne Schichten aufträgt, hat sich bereits als zuverlässige Alternative zum Hartverchromen bewährt. Seitdem erobert das Verfahren ständig neue Anwendungsgebiete und Branchen. Das jüngste Highlight ist die 3D-EHLA-Anlage, bei der die Bauplattform extrem schnell parallelkinematisch von drei Linearantrieben mit stillstehendem Laser-Bearbeitungskopf bewegt wird.
Doch der Serieneinsatz erfordert eine neue Düsentechnik, die sich leicht auswechseln lässt, damit Anwender prozesssicher, präzise und höchst zuverlässig mit EHLA arbeiten können. Dazu ein Blick auf die bisher üblichen Düsen: Beim Laserstrahlauftragsschweißen (LMD) kommen je nach Anwendungsfall verschiedene Pulverdüsen zum Einsatz. Bei schwer zugänglichen Bereichen hat sich die laterale Pulverdüse bewährt, die den Pulverstrahl seitlich in den Laserstrahl lenkt. Richtungsunabhängig arbeitet dagegen die koaxiale Pulverdüse, die einen konusförmig gebündelten Pulver-Gas-Strahl erzeugt. Sie eignet sich vor allem für die Integration in automatisierte Anlagen zum Beschichten und zur additiven Fertigung.
Doch EHLA stellt besondere Anforderung an die Qualität von Pulverzuführdüsen: Um die Partikel im Strahlengang des Lasers aufzuschmelzen, ist eine genaue Einstellung der Partikel-Flugbahnen und -geschwindigkeiten erforderlich. Selbst kleine Abweichungen der Pulverströmung führen zu nicht optimalen Ergebnissen, wie etwa unzureichender Schichtdicke oder Schichtdefekten in den aufgetragenen Schichten. Daher hat das Fraunhofer ILT zusammen mit dem Unternehmen HD Sonderoptiken für die Lasertechnik aus Aachen eine koaxiale Düse »HighNo (High Quality Powder Nozzle)« entwickelt, die einen ring-, bzw. konusförmigen Pulver-Gas-Strahl mit einem genau definierten Abstand sehr präzise auf das Werkstück lenkt. Die Präzision führt in Abhängigkeit der Anwendung zu Pulverwirkungsgraden von bis zu 95 Prozent. Die Düsenspitzen werden aus einer bewährten Kupferlegierung klassisch gefertigt und anschließend ultrapräzisionsbearbeitet.
Die koaxiale Pulverdüse besteht aus einem Düsenkörper sowie einem monolithisch aufgebauten Pulverspitzenmodul mit zwei konusförmigen Kegeln, die über einen definierten Spalt zwischen Innen- und Außenkonus das Pulver führen. Dank des neuen Fertigungsprozesses besitzen beide Kegel die gleichen Formtoleranzen, so dass die bei anderen Düsen sonst übliche aufwändige Justage nach dem Wechsel entfällt. Der Anspruch an die Oberflächenqualität ist sehr hoch, um die Strömung gezielt einzustellen. Sowohl Spaltmaß als auch Verschleißbeständigkeit der Düse lassen sich je nach Kundenwunsch und Applikation individuell anpassen. Positive Nachricht von Teamleiter Matthias Brucki aus der Gruppe »Laser Material Deposition - Coatings & Functional Layers« am Fraunhofer ILT: »Die HighNo-Düsen sind innerhalb von ein bis zwei Minuten ohne Qualitätseinbußen dank des monolithischen Aufbaus umrüstbar. Die neue Düse ist seit diesem Jahr in Serie.«
Erfahrungen mit EHLA und der neuen Düse machte bereits die Bilsing Automation Tic. Ltd. Şti. aus Bursa, die als türkische Tochter der Bilsing Automation GmbH aus Attendorn nicht nur flexible Greif- und Handhabungstechnik sondern auch Umformwerkzeuge herstellt. Über das Laserhärten von Werkzeugen und dem Laserauftragschweißen (LMD) von anspruchsvollen Bauteilen aus Titan Ti-6Al-4V für die Flugzeugindustrie baute sich ein langjähriger Kontakt zum Fraunhofer ILT auf. »Mittlerweile sind wir zum Subunternehmer von Turkish Airlines aufgestiegen, der auch O-Ringe aus Titan für Landefahrwerke mit dem Verfahren repariert«, erklärt stolz Geschäftsführer Salih Ersungur. Das Interesse für die Innovationen aus Aachen wuchs und schließlich führte das Unternehmen im Sommer 2019 EHLA ein.
Es rüstete jedoch nicht eine Drehmaschine um, sondern bestückte einen fahrbaren Roboter mit Laserstrahlquelle, EHLA-Bearbeitungskopf und Pulverzufuhrsystem. So entstand eine mobile EHLA-Station, die testhalber bei einer CNC-Drehmaschine eines anderen Unternehmens zum Einsatz kam. »Ich habe auf ihr eine Bremsscheibe auf dem Backenfutter montiert«, berichtet Ersungur. »Den Roboter haben wir dann im Prinzip so positioniert und programmiert, dass er nahezu synchron mit der Drehmaschine arbeitet.« Bereits der erste Testlauf hat funktioniert, der Geschäftsführer ist sehr zufrieden mit EHLA und den im Vergleich zum herkömmlichen Laserauftragschweißen glatteren Oberflächen, die weniger bis keine Nacharbeitung erfordern.
Die Analyse der Beschichtungstests überzeugten den Geschäftsführer, nun langfristig das EHLA-Verfahren als Dienstleistung in der Türkei und weiteren von ihm betreuten Ländern anzubieten – etwa als Alternative zum umstrittenen Hartchromatieren mit Chrom(VI). Ersungur: »Ich sehe sehr gute Chancen im Schiffsbau, Offshore-Bereich und in der Luftfahrt.«
Seit kurzem besitzt das Unternehmen auch die neue HighNo-Düse. »Die wechselbaren Düsenspitzen der neuen Düsengeneration sind mit drei Schrauben befestigt, die sich lösen lassen, um dann eine andere Düsenspitze einzusetzen«, beschreibt der Geschäftsführer die Vorzüge der neuen Düsentechnologie. »Das Verfahren läuft dank der HighNo-Düse prozesssicherer und schneller ab, außerdem sinken die Rüstzeiten.« Ein EHLA-beschichtetes Bauteil befindet sich allerdings noch nicht im Einsatz. Ersungur vermarktet die Kombination EHLA und HighNo als neues Alleinstellungsmerkmal nicht nur exklusiv in der Türkei, sondern will sie auch Kunden in Südafrika, Rumänien und Russland vorstellen. Seine Motivation: »Weil wir mit Erfolg seit sechs Jahren lasern, mussten wir jetzt bei EHLA einsteigen. Es klingt nach Zukunft, denn es hat Drive und wir glauben stark daran.«
Autor: Nikolaus Fecht im Auftrag des Fraunhofer ILT.