»Der Laser ist nicht ausgeforscht. Im Gegenteil – 60 Jahre nach seiner Erfindung geht es nun erst richtig los!«, sagte Prof. Constantin Häfner, Leiter des Fraunhofer ILT in Aachen, bei seinem Abschlussvortrag des AKL’24. Mit Blick nach vorn sehe er riesige, völlig unerschlossene Märkte für die Photonik mit vielen hundert Milliarden Euro Umsatzpotenzial: »Quantentechnologien, Nachhaltigkeit, Secondary Sources, Cyberphotonics und die Trägheitsfusion«. Häfners Aufzählung war zugleich ein Rückblick auf die Top-Themen des »AKL - International Laser Technology Congress«, zu dem letzte Woche (17.-19. April 2024) 525 Teilnehmende, 80 Referierende sowie 58 Ausstellerfirmen aus 21 Ländern nach Aachen geströmt waren.
Einfluss von Digitalisierung und KI auf Wertschöpfung und Geschäftsmodelle
Im dreitägigen Vortragsprogramm war ein Thema allgegenwärtig. Künstliche Intelligenz (KI) eröffnet Forschungsinstituten, Anbietern von Lasersystemen und deren Anwendern neue Horizonte. Im Zusammenspiel mit der dynamisch fortschreitenden Digitalisierung und der immer engmaschigeren sensorischen Prozessüberwachung wird KI zu einem hocheffektiven Werkzeug. Denn entlang industrieller Prozessketten fallen massenhaft Daten an, die Unternehmen dank KI zu Informationen mit Mehrwert veredeln können. Was das für die Wertschöpfung und Geschäftsmodelle in der Lasertechnik bedeutet, erörterte Häfner im Zuge der Gerd Herziger Session des AKL’24 mit drei Top-Managern der Branche: Dr. Hagen Zimer, Vorstandsmitglied und CEO Laser Technology der TRUMPF SE + Co. KG in Ditzingen, Dr. Christoph Rüttimann, CTO Bystronic Group in Niederönz (CH) sowie Dr. Christopher Dorman, Executive Vice President des COHERENT Lasers Business.
Häfner wies einleitend auf die Chancen der Cyberphotonics für die Branche hin. »Als Fraunhofer ILT werden wir unsere gewachsene Kompetenz in den Anwendungen von Lasertechnik und Optiken weiterentwickeln, sie aber um digitale Dimensionen und die rasch zunehmenden Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz erweitern«, sagte er. Da absehbar sei, wie tief und schnell KI die Wertschöpfung in der Photonik verändern wird, adaptiere man sie ohne Zögern. Schon jetzt steige der Einsatz von KI exponentiell; auch in der Photonik, deren Akteuren Häfner riet, ohne weiteren Zeitverzug in die KI-Anwendung einzusteigen. »Der Zugang zu Daten und die Fähigkeit, mit KI Mehrwerte daraus zu ziehen, ist schon jetzt gleichbedeutend mit Wettbewerbsvorteilen«, mahnte er. Mittelfristig gehe es darum, wer die Photonikmärkte kontrollieren wird. Anbieter von photonischer Hardware oder Softwarekonzerne, die Laser quasi als Commodity in digitale Plattformen einbinden und die Wertschöpfung in digitale Services verlagern?
Laser nicht zur austauschbaren Commodity werden lassen
Mit einem Exkurs in die Landtechnik verdeutlichte Häfner seine These: Hersteller von Traktoren, Mähdreschern und Anbaugeräten hätten sich sehr früh auf standardisierte Datenschnittstellen verständigt, über die Maschinen, Geräte und zunehmend optische Sensoren Daten austauschen und in die Cloud übermitteln. Auf diesem Fundus sind digitale Plattformen entstanden, die Landwirten echte Mehrwerte bieten. Konsequent zu Ende gedachte Integration – vernetzt, smart und serviceorientiert – als Basis für ein rundum informiertes, datenbasiertes Farmmanagement. Dessen Fixpunkt bleibt die Landmaschine. Rundum bilden sich digitale Ökosysteme, in denen Landwirte sensorisch ermittelte, räumlich und zeitlich hochaufgelöste Daten zur Fruchtbarkeit, zum Dünger- und Bewässerungsbedarf und Ernteertrag ihrer Äcker finden oder auf Wetterdaten, Handelspreise und Fuhrparkmanagementlösungen zugreifen können. Absehbar werden auch vollautonome Landmaschinen diese hochpräzisen, intelligenten Farmsysteme mit Daten versorgen und umgekehrt datenbasierte Handlungsempfehlungen umsetzen.
Die Photonik kann laut Häfner vergleichbare Ökosysteme schaffen, ihre Lasersysteme in aller Welt vernetzen, Daten sammeln und mit KI-Tools Mehrwerte für Kunden schaffen. »Sie ermöglicht gezieltere Forschung und Entwicklung, verkürzt die Time-to-Markt, hilft Laserprozesse zu optimieren und prädiktive, proaktive Services zu realisieren«, sagte er. Data Science sei der Schlüssel zu tieferem Verständnis von Mess- und Sensordaten und von Laserbearbeitungsprozessen. Da KI, Machine Learning sowie Digitale Zwillinge das technologische Repertoire stark erweitern, seien mittelfristig selbstlernende Maschinen und eine »First-Time-Right (FTR) Produktion« zu erwarten. Cyberphotonics könnten den Weg zu einem »Internet of sustainable Production« ebnen, an dem das Fraunhofer ILT mit anderen Aachener Forschungseinrichtungen arbeitet, um datenbasierte Prozesse für die Circular Economy voranzutreiben. Das Fraunhofer ILT selbst nutze KI bereits für das Design von optischen Systemen, für ein effektiveres Miteinander von Simulationen und realen Tests, sowie zur Prozessoptimierung und Regelung von Laserprozessen on-the-fly. Das Ziel der FTR-Fertigung rückt näher. Doch mit Blick auf den globalen Wettbewerb richtete Häfner zwei Fragen ans Podium: »Reicht die Geschwindigkeit unserer Branche? Und sind Ihre Unternehmen bereit für Cyberphotonics?«.