Lithographiebasierte Additive Fertigung

Themenbroschüre »Lithographiebasierte Additive Fertigung«

Lithographiebasierte additive Fertigungsverfahren haben sich durch eine hohe Flexibilität, Präzision und Wirtschaftlichkeit bereits für die Herstellung verschiedener Produkte etabliert, z. B. für Innenohr-Hörgeräte in der Medizintechnik oder für die Schmuckherstellung. Schnellere Druckprozesse und verbesserte Materialien erlauben in diesen und weiteren Bereichen die Serienfertigung neuartiger Produkte. Am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT werden dazu Materialien und Prozesse erforscht und entwickelt – für kundenspezifische Lösungen und die Erschließung neuer Anwendungsgebiete.

Lithographiebasierte Additive Fertigung

Unter lithographiebasierten additiven Fertigungsverfahren werden alle 3D-Druck-Verfahren zusammengefasst, bei denen mit UV- oder sichtbarem Licht fl üssige Photoharze zur Polymerisation und damit zum Aushärten gebracht werden. Ausgehend von der in den 1980er-Jahren entwickelten Stereolithografie (SL) wurden bis heute eine Vielzahl unterschiedlicher Prozessvarianten entwickelt, die sich für die lithographiebasierte Fertigung in vielen Anwendungsgebieten etabliert haben.

Für jedes Anwendungsgebiet das passende Verfahren

Die Bestrahlung kann beispielsweise mit Laserstrahlung über ein Scannersystem erfolgen oder mit LED-Strahlung, wobei die flächige Lichtmodulation mithilfe einer digitalen Lichtmodulation (digital light processing, DLP) oder über LCD-Masken umgesetzt wird. Bei derartigen Verfahren lassen sich Strukturauflösungen zwischen 20 μm und 100 μm erreichen, wobei die maximale Prozessgeschwindigkeit im Bereich von einigen Kubikzentimetern pro Stunde liegt. Sowohl bei der Stereolithografie als auch bei DLP-Verfahren können durch den Einsatz stark fokussierender Optiken auch Strukturauflösungen von bis zu 1 μm erreicht werden, dann jedoch mit entsprechend reduzierter Prozessgeschwindigkeit. Noch höhere Auflösungen von < 1 μm erlaubt die Mehrphotonenpolymerisation (MPP, auch Direct Laser Writing), wobei hier die Aufbaurate niedriger ist und typischerweise in der Größenordnung von 1 mm³/h liegt. Bei den meisten Verfahren wird das Bauteile sukzessive durch die Erzeugung zweidimensionaler Schichten aufgebaut. Bei Bauteilen mit gekrümmter Oberfläche führt dies zur Ausbildung von Oberflächen mit Stufen im Bereich der lateralen Auflösung bzw. der Schichtdicke. Durch eine quasi-kontinuierliche Prozessführung oder volumetrische Verfahren verschwinden die Artefakte eines schichtweisen Aufbaus, was sich positiv auf die Oberflächenqualität auswirkt. Außerdem kann gegenüber Verfahren, bei denen schichtweise gearbeitet wird, prinzipiell eine signifikante Zeitersparnis erreicht werden. Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung eines lithographiebasierten additive Fertigungsverfahren sind die geforderten Produkteigenschaften, die verwendbaren Fotoharze und die die Vor- und Nachteile einzelner Verfahren gegeneinander abzuwägen.

Große Bandbreite an Materialeigenschaften

Die inhärente Vielseitigkeit lithographiebasierter Verfahren betrifft nicht nur die Prozesse, sondern auch die verwendeten Materialien. Das zugrundeliegende Photoharz besteht aus einer reaktiven Monomer- oder Oligomerbasis, einem absorbierenden Bestandteil, der die Eindringtiefe der Strahlung begrenzt, und sogenannten Photoinitiatoren, die durch Lichtabsorption zerfallen und dadurch die Polymerisation starten. Diese Kombination führt in den meisten Fällen zur Ausbildung duroplastischer oder elastomerer Kunststoffe. Durch Variation der funktionellen Gruppen und des Rückgrats der verwendeten Reaktivkomponenten und durch die Zugabe von Füllstoffen lassen sich verschiedenartige Produkteigenschaften realisieren. Von hartspröden Materialien mit Elastizitätsmoduln im Gigapascalbereich und Bruchdehnungen von ~1 Prozent über weichelastische Materialien mit Shore A Härte von > 50 und Bruchdehnungen > 150 Prozent, bis zu abriebbeständigen oder schwer entflammbaren Materialien existiert eine große Auswahl. Ebenso kommen biokompatible Materialien infrage, die für die Herstellung von Medizinprodukten der Klasse IIa zugelassen sind. Hergestellte Bauteile können je nach verwendeten Materialien und Prozessen z. B. hochtransparent, koloriert-transparent oder opak-matt-gefärbt gestaltet werden.

Indirekte Fertigung erweitert Materialportfolio

Die Füllung der Photoharze mit festen Partikeln ermöglicht die indirekte Kreation von Bauteilen aus Materialien, die nicht photoreaktiv sind. Keramik- oder glasgefüllte Photoharze können zum Beispiel verdruckt und nachfolgend so gesintert werden, dass die Polymermatrix verflüssigt oder verbrennt, um dann keramische oder gläserne Bauteile zu erhalten. Auch sind Grünlinge aus wachshaltigem Material herstellbar, die sich anschließend einbetten. Nachdem gedruckte Wachsgrünlinge im Ofen ausgebrannt wurden können abschließend über Gussverfahren Metallbauteile erzeugt werden.

Nutzen aller Stärken durch Verfahrenskombinationen

Verschiedenen Prozessarten lassen sich vorteilhaft kombinieren, etwa um komplementäre Prozessspezifikationen zu nutzen. So wurde am Fraunhofer ILT eine Verfahrensversion mit einem MPP-Bearbeitungskopf und einem DLP-Bearbeitungskopf ausgelegt, wodurch Bauteilbereiche mit kleinen Strukturelementen hochaufgelöst ausgehärtet werden können (MPP) und andere Bereiche schneller (DLP), um eine wirtschaftliche Produktion zu gewährleisten. Alternativ kann ein niedrigauflösender DLP-Bearbeitungskopf mit einem hochauflösenden kombiniert werden, um wahlweise großflächig oder mit hoher Auflösung zu belichten.

Integration in Prozessketten – Das TwoCure-Verfahren

Das patentierte TwoCure®-Verfahren des Fraunhofer ILT hat entscheidende Vorteile gegenüber anderen Verfahrensvarianten. Durch die Verwendung eines Materials mit zwei Aushärtungsmechanismen – thermisch reversibel und photochemisch irreversibel – kann hierbei auf die Verwendung von Stützstrukturen verzichtet werden, weil auszuhärtende Schichten durch darunterliegende thermisch verfestigte Schichten mechanisch gehalten werden. Stützstrukturen sind auszuhärtende Bauteilelemente, die in vielen Verfahren notwendig sind um überhängende Strukturen abzustützen. Diese müssen digital erstellt, gedruckt und anschließend meist manuell entfernt werden. Dies erfordert zeitlichen und materiellen Aufwand und beeinfl usst die Oberflächenqualität der gedruckten Bauteile negativ. Im TwoCure-Verfahren entfällt zudem die Notwendigkeit Bauteile beim Druck in Kontakt zur Bauplattform zu positionieren. Dies bietet die Grundlage für eine Prozessausführung, mit der sich eine kontinuierliche Fertigung realisieren lässt. Der thermisch erstarrte Block wird mechanisch weitergeführt und außerhalb des Prozessraums erhitzt, wodurch die gefertigten Bauteile aus der Photoharzmatrix gelöst werden. Dieser kontinuierliche Druckansatz ist in bestehende Prozessketten integrierbar, auch weil manuelle Nachbearbeitungsschritte wie das Entfernen der Stützstrukturen entfallen.

Höhere Photonenenergie für Prozesskontrolle

Für manche Anwendungen ist die Verwendung von kleineren Wellenlängen und somit größeren Photonenenergien sinnvoll. Dies kann der Fall sein, wenn hochtransparente Systeme erwünscht sind. Der Absorptionsquerschnitt absorbierender Moleküle ist für Licht im UV-C-Bereich meist wesentlich höher als für längere Wellenlängen. Dadurch kann auf die Verwendung von Absorbern verzichtet und die Photoinitiator-Konzentration reduziert werden. Im Bereich der Thiol-En-Klick-Chemie kann auf das Additivieren von Initiatoren komplett verzichtet werden, da sich die enthaltenen Thiolmonomere direkt initiieren lassen. Die Vermeidung von Initiatoren erweitert die Möglichkeiten bei der Herstellung biokompatibler Bauteile, da Initiatoren oft ursächlich für zytotoxisches Verhalten sind. Zudem bietet der Stufenwachstumsmechanismus von Thiol-En-Photoreaktionen weitere Vorteile für die Materialeigenschaften. Allerdings sind UV-C-basierte Lithografi eanlagen kommerziell nicht verfügbar. Aus diesem Grund wurde am Fraunhofer ILT eine UV-C-SL Anlage entwickelt. Die Strahlquelle ist ein frequenzvervierfachter Nd:YAG Laser mit einer Wellenlänge von 266 nm und einer Leistung von 70 mW bei einer Auflösung von 50 μm und einem Bauraum von 50*50*50 cm³.

Heiße Prozessführung

Ein limitierender Faktor bei der Materialauswahl ist die Viskosität. Hochviskose Materialien können nicht verwendet werden, da hier enorme Kräfte bei der Schichterzeugung entstehen, was zu Bauteildefekten oder Rissen im Boden des Materialbades führen kann. Monomere und Oligomere für die Herstellung mechanisch und thermisch hochstabiler Polymere sind häufi g hochviskos. Um diese Materialien im Prozess verarbeiten zu können werden meist Reaktiv-Verdünner hinzugemischt, durch die die mechanischen Eigenschaften allerdings herabgesetzt werden. Eine Möglichkeit zur Verringerung der Viskosität ist das Erhitzen der Photoharze im Prozess. Am Fraunhofer ILT wurden Anlagen so umgerüstet, dass bei erhöhten Temperaturen von bis zu 80°C gearbeitet werden kann. Die ermöglichte die Entwicklung hochviskoser Materialien, die nachfolgend in heißen oder volumetrischen Prozessen eingesetzt werden können.

Noch schnellere Fertigung – Volumetrischer 3D-Druck

Ein nächster Schritt bei der Weiterentwicklung lithografiebasierter Fertigungsverfahren ist die volumetrische Aushärtung. Dies bedeutet, dass nicht mehr nur an der Oberfläche des Reaktionsgefäß ausgehärtet wird, sondern an beliebigen Koordinaten im Bauraum. Dadurch wäre ein schichtweiser Aufbau nicht mehr zwingend notwendig und zudem müsste die Bauplattform nicht mehr durch das meist hochviskose Harz bewegt werden. Diese Bewegung ist nicht nur zeitaufwendig, sie führt auch oft zu einer enormen Kraftauswirkung auf das erzeugte Bauteil durch fließendes Photoharz. Volumetrischer 3D-Druck ist (mit Ausnahme bei der MPP) nicht ohne weiteres möglich, da die Kombination aus Bestrahlungswellenlänge und Material zu einer Lambert- Beer-Absorption an der Oberfl äche des Harzes führt, was bedeutet, dass die Aushärtung in erster Linie an der Oberfl äche stattfindet - unabhängig von der Fokussierung der Strahlung. Eine andere Möglichkeit des volumetrischen 3D-Drucks wurde durch die xolo GmbH gezeigt. Zum Einsatz kommt hier ein Initiatorsystem, das in zwei Anregungs stufen über zwei unterschiedliche Wellenlängen aktiviert wird. Wird Licht mit zwei unterschiedlichen Wellenlängen im Reaktionsvolumen aus unterschiedlichen Richtungen eingestrahlt, findet die Polymerisation nur im Überlappungsbereich statt. Im ZIM-Kooperationsprojekt »Polymeric Optic Xolography POX« des Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF entwickelt das Fraunhofer ILT gemeinsam mit der xolo GmbH und dem Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme TOS der RWTH Aachen University entsprechende Drucker, Initiatorsysteme, Monomer- und Oligomerbasen weiter, um höhere Auflösungen und vielfältigere Materialeigenschaften zu ermöglich.

Ausstattung

Am Fraunhofer ILT wird Licht als berührungsloses Hochpräzisionswerkzeug verstanden, mit dem sich Materialien auf mikroskopischer und makroskopischer Ebene bearbeiten und analysieren lassen. Neben umfangreichem Wissen zu Strahlquellen, Lichteigenschaften, Strahlformung und Messverfahren existieren 3D-Druck-Labore mit diversen Verfahrensausführung wie DLP- und LCD-basierte Drucker, MPP-Anlagen, UV-C-SL-Anlagen oder auch verschiedene der beschriebenen Sonderanlagen. Die Anlagentechnik wird dabei durch ein chemisches Materiallabor ergänzt, das die passende Analytik für rheologische Analysen, dynamische mechanische Analysen, Zugdehnungsversuche, Brechungsindexmessungen und Absorptionsmessungen unverdünnter Photoharze bereitstellt. Fertig prozessierte Bauteile können mit geometrisch-optischen und infrarot-spektroskopischen Methoden vermessen und charakteisiert werden.