Markerfreie Zellselektion für die Biologika-Produktion

Broschüre »Markerfreie Zellselektion für die Biologika-Produktion«
Broschüre »Markerfreie Zellselektion für die Biologika-Produktion«

Für die Biologikaentwicklung werden häufig genetisch veränderte Zelllinien zur effizienten Produktion spezieller Moleküle genutzt. Die Herstellung solcher Zelllinien ist ein sehr zeit- und kostenaufwendiger Prozess. Die drei Fraunhofer-Institute für Lasertechnik ILT (Aachen), für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB (Stuttgart) und für Angewandte Informationstechnik FIT (Sankt Augustin) haben das neue Verfahren »OptisCell« entwickelt, mit dem dieser Prozess automatisiert und damit deutlich beschleunigt wer den kann.

Produktion von Biologika

In der biotechnologischen Produktion gewinnen die sogenannten Biologika zunehmend an Bedeutung. Sie gelten als besonders humanverträglich und werden daher zunehmend in der Arzneimittelproduktion verwendet. Die Entwicklung einer Zelllinie zur Produktion von Biologika dauert etwa zwölf Monate und kostet etwa 400 Mio Euro. Besonders aufwendig ist dabei die funktionelle Identifi kation, also die Erkennung, ob eine Zelle das gewünschte Protein in genügend hohem Maß produzieren kann, sodass eine industrielle Nutzung möglich ist. Auch die Isolation von sogenannten High-Producer-Zellen ist sehr zeit- und kostenintensiv.

Vorteile des OptisCell-Verfahrens

Das OptisCell-Verfahren reduziert die Entwicklungszeit von biologikaproduzierenden Zelllinien von zwölf auf drei Monate. Die funktionelle Identifi kation wird dabei mit markerfreier Raman-Spektroskopie erreicht. Die Isolation geeigneter Zellen erfolgt anschließend mit einer laserbasierten Einzel-Zellisolation. Dadurch entfallen Expansions- und Kultivierungsschritte für Zellklone mit unzureichenden Produktionsraten.

Die Selektion von geeigneten Zell-Kandidaten für die biotechnologische Produktion gelingt damit deutlich früher als im herkömmlichen Prozess. Der automatisierte Ablauf des OptisCell-Verfahrens ermöglicht zudem das Screening nach einer großen Anzahl von Kandidaten und erlaubt eine genaue Nachverfolgung des Prozesses für eine spätere Qualitätskontrolle.

Prozesskette

In einem ersten Schritt werden die Zellen mithilfe von Raman-Spektroskopie auf die Produktion eines bestimmten Proteins hin untersucht. Die Anlage nutzt dabei maschinelles Lernen, um die Spektren von produzierenden und nichtproduzierenden Zellen zu unterscheiden. Im zweiten Schritt werden die produzierenden Zellen mit einem Laserpuls in eine handelsübliche Mikrotiterplatte transferiert. Laser-Induced- Forward-Transfer (LIFT) heißt das innovative Verfahren, bei dem eine Absorberschicht auf dem Träger mit einem Laserpuls verdampft wird. Die kleine Dampfblase erzeugt einen Jet im Medium (z. B. Hydrogel), der die ausgewählte Zelle in die Mikrotiterplatte überträgt. Durch Surface Enhanced Raman Scattering (SERS) Spektroskopie wird dort ermittelt, wie effi zient die Zelle das gewünschte Protein produziert. Damit lassen sich schnell und automatisch High-Producer-Zellen fi nden sowie für die weitere Verwendung selektieren.

Charakterisierung der Proteinproduktion

Für die Erkennung von proteinproduzierenden Zellen werden Raman-Spektren von potenziellen High-Producer-Zellen zunächst einer Vorverarbeitung unterzogen, die die Spektren von Störsignalen – wie kosmischen Spikes, weißem Rauschen und anderen Hintergrundsignalen – befreit und normiert. Nach einer Reduzierung des Feature-Raums mit PCA (Principle Component Analysis) entscheiden vier unabhängige Modelle durch ein Gewichtungsverfahren, bei welchen Spektren es sich um High-Producer-Zellen handelt. Die Genauigkeit, mit der Zellen dabei als echte High-Producer erkannt werden, liegt bei bis zu 92 Prozent.

Neben diesem Verfahren werden Proteine mithilfe von speziellen Chips detektiert, die den Raman-Effekt aufgrund ihrer Oberfl ächenbeschaffenheit verstärken (SERS-Spektroskopie). Selbst kleinste Mengen eines Target-Proteins sind damit nachweisbar.

Zelltransfer und -handling

Für das OptisCell-Verfahren wurde ein kombiniertes Anlagenkonzept realisiert, das die Analyse und den Transfer von Zellen ermöglicht. Die Anlage sieht UV- und MIR-Strahlquellen für den LIFT-Prozess vor und verfügt über ein Dreifachobjektiv sowie ein Fünfachssystem für ein fl exibles Handling. Transfer- und Empfängerträger können so unabhängig in x- und y-Richtung mit einer Wiederholgenauigkeit von bis zu 100 nm und Geschwindigkeiten von bis zu 3 m/s relativ zueinander bewegt werden. Die Objektive sind über eine dritte Achse (z-Achse) zugänglich. Mithilfe von OptisCell wird damit sein zügiger und kontaktloser Transfer der Zellen möglich.

In Untersuchungen wurden CHO-Zellen für die Raman-Analyse und den Transfer verwendet. Das LIFT-Verfahren war hier sowohl mit UV- als auch mit MIR-Laserstrahlung in bis zu 85 Prozent der Übertragungen erfolgreich. Transferierte CHO-Zellen überleben und proliferieren bis zu sieben Tage. Die Überlebensrate der transferierten Zellen liegt nach den sieben Tagen bei etwa 60 Prozent. Die Anlage wurde für den Betrieb in einer Werkbank konstruiert, so dass eine Behandlung der Zellen in einer sterilen und klimatisierten Umgebung möglich ist. Das erhöht die Überlebensrate der Zellen und damit die Effi zienz des Prozesses deutlich.

Ansprechpartner

Dr. Nadine Nottrodt (Fraunhofer ILT)
nadine.nottrodt@ilt.fraunhofer.de

Dr. Anke Burger-Kentischer (Fraunhofer IGB)
anke.burger-kentischer@igb.fraunhofer.de

Dr. Andreas Pippow (Fraunhofer FIT)
andreas.pippow@fi t.fraunhofer.de