Faserverbund-Kunststoffe (FVK) sind die Alleskönner unter den Konstruktionswerkstoffen. Sie vereinen die positiven mechanischen Eigenschaften ihrer Ausgangsmaterialien – hochfeste Fasern und eine robuste Kunststoff-Matrix – zu einem Verbund mit hohen Festig- und Steifigkeiten bei geringer Dichte. Doch wieso haben sich FVK in Zeiten wachsender Bedeutung von Energie- und Ressourceneffizienz noch nicht vollständig durchgesetzt? Noch ist die Herstellung teuer. Zudem sind die Bauteile meist schwierig zu be- und verarbeiten.
Projekt CarboLase: neue Generation der FVK-Bauteilfertigung
Im März 2017 startete das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT gemeinsam mit vier Projektpartnern aus Forschung und Industrie das Projekt »CarboLase – Hochproduktive, automatisierte und maßgeschneiderte Just-in-Time FVK-Bauteilfertigung«. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) förderte das Projekt mit dem Ziel, die Technologieführerschaft der beteiligten KMUs aus NRW und die langfristige nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Dieses wurde erreicht, indem die Prozesskette der FVK-Herstellung vereinfacht und die Kosten reduziert wurden.
Normalerweise werden zur Montage von carbonfaserverstärkten Kunststoff-Elementen (CFK) in konventionelle Bauteile Löcher in die fertigen CFK-Module gebohrt und in diese wiederum metallische Verbindungselemente – z. B. Inserts mit Innengewinden – eingeklebt. Damit Bauteile durch Leichtbauelemente ersetzt werden können, müssen die Verbindungen zwischen FVK- und konventionellem Bauteil lösbar und sicher sein.
Im CarboLase-Projekt wurde ein anderer Denkansatz verfolgt: Hier integrieren die Experten die Verbindungselemente bereits in die textilen Vorformlinge, die sog. Preforms. Erst danach wird durch ein gemeinsames Aushärten das finale CFK-Bauteil geschaffen. Dadurch können Fertigungsprozessketten deutlich verkürzt werden. Allerdings sind für diese Fertigungsart hochpräzise Aussparungen im Textil erforderlich.
Preisgekrönte Dreiercombo – CAMX-Award für CarboLase-Partner
Ein Trio aus CNC-Zuschnitt, Laserbearbeitung und automatischem Handling ist die Lösung für eine FVK-Bauteilfertigung, die allen Ansprüchen gerecht wird. Die Technologien der einzelnen Prozessschritte werden in eine Roboterzelle integriert und die dazwischenliegenden Teilprozesse automatisiert. Zuerst wird der Preform durch Zuschneiden, Stapeln und Fügen der Textilien hergestellt. Anschließend werden mit einem Ultrakurzpulslaser (UKP-Laser) passgenaue Aussparungen in die Preforms gebohrt und in diese die metallischen Inserts eingebracht.
Damit der UKP-Laser eine erfolgreiche Alternative für die konventionelle Fertigung ist, bedarf es der Integration des Lasers in die Roboterzelle. Klassisch werden ultrakurze Pulse über Spiegel geleitet, was an einem Roboterarm aber kaum möglich ist. Daher haben die Experten des Fraunhofer ILT gemeinsam mit denen der AMPHOS GmbH eine neuartige Systemtechnik zur Ein- und Auskopplung der UKP-Laserstrahlung entwickelt. Die Verbindung der UKP-Laserstrahlquelle mit dem Scanner am Roboter wird über eine Hohlkernfaser (hollow core) realisiert.
Auf der »Composites and Advanced Materials Expo« in Anaheim, Kalifornien, USA, gewann das CarboLase-Konsortium am 26. September 2019 den renommierten CAMX-Award in der Kategorie »Combined Strength«. Mit den CAMX-Awards werden Innovationen ausgezeichnet, die einen erheblichen Einfluss auf den Bereich der Verbundwerkstoffe haben werden. Ausschlaggebend für die Auszeichnung war die Integration des Lasers an den Anfang der Prozesskette und die damit einhergehende Reduktion an zeit- und kostenintensiven Folgeprozessschritten.
Erfolgreich umgesetzt
Das entwickelte Verfahren wurde bereits erfolgreich erprobt und die technische Machbarkeit bewiesen: Die Projektpartner fertigten dabei einen Demonstrator für ein B-Säulenelement, der anschließend einer gründlichen mechanischen Prüfung unterzogen wurde. Sowohl in Auszug- als auch in den Torsionsversuchen schnitten die mit dem CarboLase-Verfahren gefertigten Fügestellen besser ab als die von konventionell gefertigten Faserverbundbauteilen. Die formschlüssig mit dem Matrixwerkstoff verbundenen Inserts erzielen eine um bis zu 50 Prozent höhere maximale Auszugkraft gegenüber konventionell gefertigten Bauteilen mit eingeklebten Inserts. Durch die erhöhten mechanischen Kennwerte kann je nach Bauteildesign die Gesamtdicke und damit das Gesamtgewicht reduziert werden.
Der Prozess bietet große Designfreiheit: Die Verbindungsstellen lassen sich in ihrer Lage und Größe beliebig festgelegen. Roboter und Scanner können sich deutlich freier auf der Meter- und Mikrometerebene bewegen als statische mechanische Bearbeitungszentren. Eine effiziente Mass Customization der CFK-Bauteile ist damit über den Stand der Technik hinaus möglich. Das dynamische UKP-Laserbohrverfahren ist insbesondere für Leichtbauteile aus dem Luftfahrt- und dem Automobilbereich interessant und kann einen Beitrag zu Material- und Kosteneinsparungen bei der Herstellung von CFK-Bauteile leisten.
Forschung mit Blick auf die Industrie
Im Bereich der UKP-Lasertechnik kooperierte das Fraunhofer ILT in CarboLase mit der AMPHOS GmbH. Die LUNOVU GmbH begleitete als Systemintegrator die Vernetzung einzelner Prozessschritte und realisierte die Integration der Sensorik in die Roboterzelle am Institut für Textiltechnik (ITA) an der RWTH Aachen University. KOHLHAGE Fasteners GmbH & Co. KG erarbeitete die automatisierte Bereitstellung und Integration der Krafteinleitungselemente und das ITA übernahm schließlich die Umsetzung der automatisierten Prozesskette zur Herstellung der laserbearbeiteten Preforms. Das Projekt wurde vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit rund zwei Millionen Euro über eine Laufzeit von 2,5 Jahren gefördert.
Die Ergebnisse des CarboLase-Projekts werden auf der JEC World 2020 vom 3. bis 5. März 2020 in Paris auf dem AZL-Gemeinschaftsstand (Halle 5A, Stand L97) gezeigt.