Gestern ILT, heute IoL
Auf diesen einfachen Nenner lässt sich das neueste Engagement von Professor Reinhart Poprawe, bis 2019 Leiter des Fraunhofer ILT, bringen. Vor fünf Jahren meldete Poprawe als Miterfinder ein Patent zum laserbasierten Herstellen von Kunststoff-Linsen (intraokulare Linsen IoL) an. Auf dieser Basis entstand in Alsdorf bei Aachen die Firma AIXlens GmbH, die individuell angepasste Linsen materialunabhängig aus Kunststoff in einem volldigitalisierten und komplett laserbasierten Prozess herstellt. Der Patient erhält just-in-time ohne Lagerung direkt aus der Produktion in Losgröße eins seine persönliche Linse, die alle Fehlsichtigkeiten patientenspezifisch korrigiert.
Hier kommt die Stärke des Lasers ins Spiel: die präzise, produktive und nachhaltige Herstellung von Bauteilen in hoher Komplexität und in kleinen Stückzahlen. Nach dem Vermessen des Auges und der Generierung der Daten entsteht die Linse innerhalb von wenigen Minuten: Ein Ultrakurzpuls (UKP)-Laser erzeugt per Abtragen die Linse, die dann mit einem CW-laser poliert wird. Anschließend schneidet ein UKP-Laser die sogenannte Haptik zum Befestigen der Linse. »Es ist eine komplett digital geregelte Prozesskette, in der nichts mehr angefasst wird«, erklärte Poprawe. »Wenn jemand die Linse bestellt, hängt der Liefertermin nun im Prinzip nur noch von der Versandzeit ab.«
Produktion ohne Mitarbeiter
Ungewöhnlich ist auch das Geschäftsmodell: Bei AIXlens gibt es keine Mitarbeiter, denn die Entwicklung des Prozesses und die Einrichtung einer Demonstrationslinie erledigt im Auftrag das Fraunhofer ILT. Sehen lassen können sich die Eckdaten: In Losgröße eins entstehen Linsen mit einer Oberflächenrauheit im Bereich einzelner Nanometer und sehr genau eingehaltenen Dioptrienwerten.
AIXlens musste bei dem national und international patentierten Prozess allerdings ein besonderes technisches Problem lösen: Es bilden sich beim Laserpolieren von Duroplasten winzige Polymerketten, wegen denen die Linsen den Biokompatibilitäts-Test zunächst nicht bestanden. Für Abhilfe sorgt die Bestrahlung der laserpolierten Linsen mit Elektronen, welche die gebrochenen Molekülketten wieder miteinander verbindet. Seitdem bestehen die Linsen auch den Biokompatibilitäts-Test.
Der Aufwand hat sich gelohnt, denn die so entstandene neue Form der IoL-Produktion bietet völlig neue Möglichkeiten. »Bei der konventionellen Produktion müssen die Hersteller Linsen in 400 verschiedenen Größen ständig auf Lager haben, das sie wegen des Verfallsdatums der Produkte ständig auffüllen müssen«, erläuterte Poprawe. »Das entfällt alles bei uns.«
Während die IoL-Linsen für Menschen mit grauem Star infrage kommen, brauchen wegen Augenhochdruck an grünem Star (Glaukom) leidende Patienten Mikro-Stents, die das Kammerwasser in den natürlichen Abflusskanal ableiten. Auch diese nur 300 µm hauchdünnen Bauteile lassen sich mit dem Laser herstellen: Zum Einsatz kommt bei der aixtent GmbH, ebenfalls aus Alsdorf, das Laserätzen von Glas (Selective Laser-induced Etching SLE). Details verriet der ehemalige Fraunhofer ILT-Chef nicht, aber auch das Laserätzen dürfte in einen Prozess integriert sein, der wie die IoL-Herstellung agil und voll digitalisiert im engen Zusammenspiel mit dem Fraunhofer ILT abläuft.
Auf einen für den Erfolg entscheidenden Faktor ging der Physiker nicht konkret ein: den Preis. Weil die Serienproduktion noch nicht angelaufen ist, will Unternehmer und Miterfinder Poprawe noch keine exakten Zahlen nennen, doch er ist mit Blick auf den bisherigen komplexen Herstellprozess und den hohen Aufwand für Logistik und Lagerung optimistisch: »Ich bin sicher, dass unsere Linsen deutlich preiswerter sein werden. Wir profitieren bei dem gesamten Prozess extrem von der Struktur auf dem RWTH Aachen Campus, ohne sie wäre das alles gar nicht möglich.«