Ein Zauberwort macht die Runde: »Urban Mining« ist eine neue Form des Bergbaus, der Sekundär-Rohstoffe aus Gebäuden, Infrastruktur oder Produkten zurückgewinnt. Besonders lohnend ließe sich diese ökologische Idee bei Elektronikgeräten in die Tat umsetzen. Dazu gilt es allerdings, Verfahren zu entwickeln, mit denen sich beispielsweise Mobiltelefone und Platinen prozesssicher, automatisiert und effizient in ihre Bestandteile zerlegen lassen, um daraus dann wertvolle Rohstoffe für die Wiederverwertung in neuer Elektronik zu gewinnen.
Zweiteilige Fachtagung: Wertstoff-Recycling in Theorie und Praxis
»In den letzten zwei Jahren entstanden Systeme, mit denen wir unsere Projektideen in die Tat umgesetzt haben«, erklärt ADIR-Koordinator Prof. Reinhard Noll vom Fraunhofer ILT. »Am 17. Mai fand dazu in Goslar eine Veranstaltung für das nationale und internationale Fachpublikum statt«. Nach einem Einführungsvortrag von Regina Kohlmeyer vom Umweltbundesamt berichtete das ADIR-Konsortium im Logistikzentrum des Projektpartners H.C. Starck Tantalum & Niobium GmbH über die Ergebnisse des EU-Projekts. Im Anschluss wurden dem Fachpublikum am Standort der Electrocycling GmbH (ECG) die entwickelten Prozesse und Maschinen vorgeführt. Zusätzlich gab es eine Posterausstellung und Muster der entstückten elektronischen Bauelemente und Platinen konnten in Augenschein genommen werden.
Der zertifizierte Spezialist für umweltbewusstes Recycling von Altelektronik erprobt seit Ende 2018 die ADIR-Verfahren in Feldtests, um diese für den industriellen Einsatz zu validieren. Dr. Cord Fricke-Begemann, Wissenschaftler am Fraunhofer ILT und Projektleiter ADIR: »Wir führen mit Hilfe des Demonstrators vor, wie das laserbasierte Material-Recycling in der Praxis bei Mobiltelefonen und Computerplatinen funktioniert. Die ECG zeigt, dass sich mit den im Projekt ADIR entwickelten Technologien auch größere Mengen an wirtschaftskritischen Werkstoffen wie zum Beispiel Tantal aus Kondensatoren zurückgewinnen lassen«.
Inverse Production: Im Mittelpunkt steht der Lasereinsatz
Das ADIR-Team orientiert sich am Konzept der sogenannten Inverse Production, die im Gegensatz zu sonst üblichen Schredder- und Pyrometallurgie-Verfahren, die Altelektronik zunächst messtechnisch erfasst und wertvolle Bauteile gezielt demontiert, um neue hochangereicherte Sortierfraktionen zu gewinnen. Das restliche Material wird dann den bewährten metallurgischen Prozessen zugeführt. Die Projektpartner setzen auf automatisierbare flexible Prozesse, mit denen sich Elektronikgeräte am Ende ihrer Nutzungsdauer automatisiert in ihre Einzelteile zerlegen lassen. In der Demontageanlage agieren Lasertechnik, Robotik, Visionsysteme und Informationstechnologie in intelligenter Weise zusammen. Eine wichtige Rolle spielen bei diesem Konzept Laserverfahren, die unter anderem Inhaltsstoffe in elektronischen Bauteilen in Echtzeit identifizieren, diese Bauelemente berührungslos entlöten oder ausschneiden. Für das Verfahren spricht, dass sich mit ihm strategisch bedeutsame Wertstoffe mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung im industriellen Maßstab effizient recyceln lassen. Fricke-Begemann: »Wir verringern mit ADIR die Ressourcenabhängigkeit der EU und kostenaufwändige Materialimporte.«