Schramberg, Oktober 2024 – Im Dezember 2022 gelang es US-Forschern erstmals, mehr Energie aus einer Fusionsreaktion der Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium zu gewinnen, als der für die Zündung des Plasmas verwendete Großlaser hineingegeben hatte. Seither hat die National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien die Fusion mehrfach mit steigendem Energiegewinn wiederholt. In jüngsten Versuchen setzte die Fusion mehr als doppelt so viel Energie frei wie vom Laser eingestrahlt.
Der prinzipielle Nachweis, dass die lasergezündete Trägheitsfusion funktioniert, hat weltweit eine neue Dynamik in der Fusionsforschung ausgelöst. Denn die Fusion entkoppelt die Energiegewinnung nicht nur vom Kohlenstoffkreislauf – emittiert also keinerlei Klimagase – sondern sie basiert auch auf einem nahezu unbegrenzt verfügbaren Treibstoff, ist inhärent sicher und bietet mit der Möglichkeit eines 24/7-Kraftwerksbetriebs ein Höchstmaß an Versorgungssicherheit.
BMBF-Förderprogramm Fusion 2040 gestartet
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die neue Dynamik früh erkannt und im März 2024 das Förderprogramm »Fusion 2040 – Forschung auf dem Weg zum Fusionskraftwerk« aufgelegt. »Es gilt jetzt, unseren Heimvorteil zu nutzen. Denn Deutschland besitzt bereits einzigartige Kompetenzen in der Erforschung der Fusion, die weltweit beachtet werden«, erklärte Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, anlässlich des Programmstarts, »und unsere Forschungsinstitute und Zuliefererindustrie gehören beide zur internationalen Spitze. Wir müssen die Ergebnisse aus der heimischen Grundlagenforschung konsequent weiterentwickeln, um Deutschland im globalen Wettlauf ganz vorne zu positionieren«.
Mit dem Verbundprojekt DioHELIOS im Förderprogramm »Fusion 2040« nimmt diese Forschung nun Fahrt auf. Ein breites Konsortium aus der photonischen Industrie und Forschung tritt darin an, um eine Schlüsselkomponente für Fusionskraftwerke der Zukunft weiterzuentwickeln: Hochleistungs-Diodenlaser-Module. Diese werden als Pumpquellen für jene Hochenergielaser benötigt, die Plasma aus den Wasserstoff-Isotopen bei rund 300 Gigabar Druck extrem verdichten und bei Temperaturen um 150 Mio. Grad Celsius zünden – zehnmal heißer als im Inneren der Sonne. In der kalifornischen Versuchsanlage kommt diese Aufgabe dem weltweit größten und energiereichsten Laser zu. Auf der Fläche von drei Footballfeldern erzeugen 192 Strahlengänge über zwei Megajoule Energie pro Puls. Spitzenleistung: fast 500 Terawatt. Das System operiert im ultravioletten Wellenlängenbereich bei 351 Nanometern mit Pulsdauern von etwa 10 Nanosekunden. Als Pumpquelle sind herkömmliche Blitzlampen im Einsatz.
Schlüsselkomponenten für Fusionskraftwerke
Die in den 1990er Jahren mit dem seinerzeit verfügbaren Stand der Technik geplante Versuchsanlage ist nicht auf effiziente Energiegewinnung, sondern auf grundlegende Fusions- und Plasmaforschung ausgelegt. Für kommerzielle Kraftwerke ist das Anlagendesign untauglich. Denn der Laser benötigt nach jedem Schuss einige Stunden zum Abkühlen. In einem Kraftwerk sind dagegen Wiederholraten von 10 bis 20 Zündungen pro Sekunde erforderlich. Auch die Effizienz des gesamten Lasersystems muss massiv steigen – was nach aktuellem Stand der Technik nur mit gezielt auf die Absorptionslinien des Verstärkermediums abgestimmten Laserdioden statt der breitbandig emittierenden Blitzlampen möglich sein wird. Jedoch erfüllen heutige Diodenlaser-Pumpmodule weder in ihrer Performance (Kombination von Effizienz, Intensität, Lebensdauer) noch vom Kostenniveau und den produzierten Stückzahlen her die Anforderungen kommerzieller Kraftwerke. So übersteigt schon der Bedarf an Diodenlaser-Barren – den Halbleiter-basierten Grundbausteinen der Pumpmodule – für ein einziges Kraftwerk deren heutige globale Jahresproduktion.
Das Projekt DioHELIOS (Diodenlaser-Pumpquellen für Hochenergielaser in Fusionskraftwerken) muss daher neue Wege zur Entwicklung der Pumpmodule einschlagen. Diese sind gänzlich unverzichtbar, um laserbasierte Fusionskraftwerke zu realisieren. Hintergrund: Das Erzeugen der Laserpulse für die Fusion beginnt mit Energien im Nano-Joule-Bereich aus einem gepulsten Faserlaser. Indem sie durch mehrere Verstärkerstufen laufen, steigt ihr Energielevel nach und nach in den zweistelligen Joule-Bereich. Um sie dann in den Kilojoule-Bereich zu pumpen, durchlaufen die Laserpulse wiederholt 20 bis 40 cm große, speziell dotierte Glas- oder Kristallplatten, wo die räumlich, zeitlich und spektral präzise bereitgestellte Energie der Diodenlaser-Module sie verstärkt. Diesen Weg durchlaufen die Pulse je nach Anlagendesign parallel in 200 bis 400 Strahlengängen, ehe sie die Fusionskammer erreichen, wo sie – zu einem hochintensiven Megajoule-Strahl gebündelt – das Target zünden.
Die Voraussetzung dieser Verstärkung sind maßgeschneiderte, spezifisch für die Anforderungen der Trägheitsfusion entwickelte Pumpmodule. Deren Pulsenergie muss gegenüber der heutigen Technik bei zugleich verbesserter Effizienz um einen Faktor 50 steigen. Auch sind deutlich homogenere, stabilere spektrale Eigenschaften gefragt. Und es braucht Diodenlaser-Module, die in einer automatisierten Massenfertigung zu Kosten von weniger als einem Cent je Watt Leistung produziert werden. Nicht zuletzt soll die Hardware bei Wiederholraten um 15 Hertz rund 30 Jahre durchhalten.
Ambitionierte technologische Zielsetzung
An diesen Zielsetzungen werden die sechs DioHELIOS-Konsortialpartner – zwei Forschungsinstitute und vier Industrieunternehmen – ihre Forschung ausrichten. Mit dem Laserfusions-Start-Up Focused Energy aus Darmstadt ist ein siebter Partner assoziiert. Jenoptik, ams-OSRAM sowie das Ferdinand-Braun-Institut (FBH) werden ihr Know-how als führende Hersteller und Entwickler von Laserdioden einbringen und neue Ansätze für Halbleiterlaser vorantreiben. Das Fraunhofer ILT wird sie beim Design und der Optimierung der Diodenlaser-Barren mit der eigens entwickelten Software SEMSIS unterstützen. Es geht darum, die Ausgangsleistung der Chips erheblich zu steigern und dabei die industrielle Fertigbarbarkeit auf dem gefragten Kostenniveau sowie die Ressourceneffizienz im Blick zu behalten. Bei den Diodenlasern für Fusionskraftwerke kommt es zudem auf eine möglichst stabile spektrale Verteilung des Laserstrahls an. Hierfür verfolgt das Konsortium ebenso neue Designansätze wie für eine erhöhte Lichtausbeute durch Anwendung so genannter Multi-Junction-Konzepte: hierbei soll die Ausbeute bei der elektro-optischen Wandlung von Elektronen in Photonen durch das Stapeln mehrerer aktiver Zonen deutlich steigern.
Die so optimierten Diodenlaser-Chips gehen anschließend an TRUMPF, Laserline und Jenoptik. Sie werden daraus im DioHELIOS-Projekt Diodenlaser-Stapel (mehrere übereinandergestapelte Barren) mit hoher Packungsdichte und folglich hoher Intensität aufbauen. Dabei kommt es im Sinne hoher Lebensdauer sowie zur Vermeidung von temperaturbedingten spektralen Drifts besonders auf hoch wirksame Kühlung an. Die Diodenlaser-Stapel dienen als Bausteine für die Pumpmodule, in denen sie in zweidimensionalen Arrays angeordnet werden. Auch damit befassen sich TRUMPF und Laserline im Projekt. Obendrein untersuchen die Projektpartner Optimierungspotenzial bei den Stromtreibern, die möglichst verlustarm mehr als 1.000 Ampere starke Strompulse bereitstellen sollen. Und auch die Strahlformung und Strahlführung stehen auf der Agenda. Das Fraunhofer ILT entwickelt dafür speziell optimierte, für die automatisierte Montage geeignete Optiken zur Kollimation und Homogenisierung des Strahlprofils. Bei alledem kommt es auf die Skalierbarkeit der Module zu höheren Leistungen und Pulsenergien sowie auf systematische Kostenkontrolle an.
Performance von Diodenlaser-Pumpmodulen auf ein neues Niveau heben
Das Fraunhofer ILT adressiert im Verbundprojekt vor allem die Modellierung und Optimierung der Diodenlaser-Barren sowie das Design von Optiksystemen zur Strahlformung. Ein weiteres Ziel ist die automatisierte Charakterisierung der Diodenlaser-Stapel und Pumpmodule. Darüber hinaus steuern die Aachener KI-Know-how bei: Dabei stehen unter anderem die beschleunigte Mikrooptik-Justage, die Online-Optimierung des Pumpstrahlprofils sowie eine Lot-basierte Montagetechnologie für die Mikrooptiken im Fokus. KI soll perspektivisch auch die automatisierte Fertigung der Pumpmodule und ihrer Einzelkomponenten optimieren, um auch auf dieser Ebene für mehr Effizienz, schnellere Taktzeiten und geringere Produktionskosten zu sorgen.
Im Projektverlauf werden Laserline und TRUMPF jeweils verschiedene Pumpmodule aufbauen, die in einem ersten Demonstrator einen Hochenergielaser pumpen sollen. Das Konsortium strebt hierbei den Vorstoß der Diodenlaser-basierten Pumpmodule in den Megawattbereich an. Die Zielsetzung ist hochambitioniert. Denn das Verbundprojekt ist auf lediglich drei Jahre Laufzeit angelegt. Die Uhr tickt: Die Bundesregierung strebt bereits in den 2040er Jahren den Bau erster Fusionskraftwerke an. Im Förderprogramm »Fusion 2040 – Forschung auf dem Weg zum Fusionskraftwerk« gibt das nun gestartete Projekt DioHELIOS wichtige Impulse für die systematische Entwicklung der laserbasierten Trägheitsfusion auf ein kommerzialisierbares technologisches Niveau. Das BMBF fördert DioHELIOS unter den Förderkennzeichen (13F1015A - F) mit insgesamt 17,3 Millionen Euro bei einer mittleren Förderquote von 66,3 Prozent.